Von Aungdeggl bis Zintara: Das Oberpfälzer Wörterbuch
Das Oberpfälzer Wörterbuch funktioniert in beide Richtungen: Deutsch-Oberpfälzisch und Oberpfälzisch-Deutsch und beinhaltet über 4000 Wörter aus dem alltäglichen Sprachgebrauch. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt es damit nicht, verspricht dafür aber viel Humor und Spaß am Oberpfälzer Dialekt. Regionale Unterschiede aus allen Ecken der Oberpfalz stellt Autor Martin Stangl ebenso vor wie Redewendungen und Sprichwörtliches.
Du schaugst wöij a agmaahda Földfroosch (Ausdruck für jemanden, der gerade sehr dumm schaut.)Martin Stangl
Beispiel: Gröijsde und Bfiade
Das Thema Willkommen und Abschied wird im Buch natürlich auch thematisiert und so lernt die gewillte Leserschaft, sich ordnungsgemäß zu begrüßen, etwa mit „Grööijsde“ (Ich grüße dich) oder zu verabschieden, etwa mit „Dere!“ (Habe die Ehre!). Wenn man sich als Sprachneuling dann auch noch diesen Satz merken kann steht der Geselligkeit, zum Beispiel beim Besuch einer Zoiglstubn, nichts mehr im Weg: „Houst no an Bloods fia mi?“ (Ist hier noch ein Platz frei?) Freibier gibt’s hier zwar nicht, dafür aber „Böija“ (Bier), bestenfalls Zoigl, und eine „Broudzeit“ (Brotzeit).
Das Oberpfälzer Wörterbuch ist lustig und unterhaltsam. Geeignet ist es für „Zougroaste ebenso wie für Oberpfälzer Näjtiv Speaker“, verspricht der Autor Martin Stangl. Aber nicht nur das. Es steckt auch wahnsinnig viel Wissen, Zeit und Liebe zum Oberpfälzer Dialekt darin. Allein der Grammatikteil mit den Erklärungen zur Lautbildung zeigt, wie intensiv sich Stangl mit der Oberpfälzer Sprache auseinandergesetzt hat.
Wir wollten vom Autor Martin Stangl noch genauer wissen, wie sein Verhältnis zum Oberpfälzer Dialekt ist.
Oberpfalz Marketing: Welches ist Dein persönlich liebster Oberpfälzer Ausdruck oder dein Lieblingswort?
Martin Stangl: Mein Lieblingswort war bis vor kurzem: „Maledda! Oder „Allmaledda!“ Übersetzt: „Schon immer, meinen Lebtag lang!
Ein persönliches Erlebnis hat mir aber den schönen Ausdruck „Gnaambara“ beschert, der ist jetzt auf Platz 1. Zunächst muss man wissen, dass der „Gnaambara“ ohne Worte und nur in einem winzigen Sekundenbruchteil stattfindet. Der eigentliche „Gnaambara“ ist eine minimale Kopfbewegung von leicht Gurgel-unten nach schräg Haaransatz-oben. Begleitet wird er manchmal durch ein Zucken im Mundwinkel oder ein kaum merkliches Augenzwinkern. Wichtig: Der „Gnaambara“ wird niemals durch einen hörbaren Laut begleitet. Niemals-nie-nicht.
Eine Interpretationshilfe für „Zuagroaste“, also Preussen (Breissn): Ein „Gnaambara“ bedeutet „Guten Tag!“ und kann durchaus als Gesprächseröffnung verstanden werden. Oder auch nicht!
Du hast sehr viele Wörter aus der gesamten Oberpfalz gesammelt und zudem auch noch regionale Besonderheiten mit aufgeführt. Wie bist Du zu dem Wortschatz gekommen?
Während eines Urlaubs am Meer kam mir der Geistesblitz, ein Mundartwörterbuch zu verfassen. Meine Frau bezeichnete das als Schnapsidee. Ich organisierte trotzdem Papier und schrieb auf, was mir in den Sinn kam. Bekannte, Freunde und Verwandte fanden die Idee gut und erwiesen sich als geniale Wortlieferenten. Schnell waren über 4000 „Aasdrigg“ gefunden und das Projekt nahm Gestalt an und wurde tatsächlich zum Buch.
Bei der Verschriftlichung des Oberpfälzer Dialekts scheiden sich ja oft die Geister. Wie hast Du Deinen Weg gefunden, die Begriffe einheitlich aufzuschreiben?
Die Wissenschaft hat viele Schriftzeichen zur Verfügung, die vor allem Vokale in den verschiedensten Färbungen abbilden. Das schriftdeutsche Alphabet kennt solche Unterscheidungen nicht. Ich habe mich dazu entschieden, den Dialekt möglichst sparsam und nahe am gesprochenen Wort in das gängige Alphabet zu übertragen. Bei der Rückübertragung vom geschriebenen ins gesprochene Wort entstehen dann die lustigsten Dinge, bis es dann ‚klick‘ macht und die Mundart wieder zum Leben erwacht. Probiere es einfach mit dem Wort: „Gnaam-ba-ra“.
Woher kommt Dein großes Interesse an dem Thema Oberpfälzer Dialekt?
Sprache ist faszinierend. Sie bringt Menschen zueinander. Ich vergleiche unsere hochdeutsche Sprache immer mit unserer Kleidung, die uns umhüllt und nahe am Körper ist. Unser Dialekt ist aber anders. Etwa so, wie unsere Haut: Er befindet sich wesentlich näher an unserem „Ich“. Er ist flexibler, geschmeidiger, authentischer, robuster, lässt sich nicht ablegen, derb, fein, unverwüstlich …
Was war Dein lustigstes Erlebnis zum Oberpfälzer Wörterbuch?
Ich beobachtete zwei Teenager, als sie versuchten im Wörterbuch den Dialektausdruck „Beach“ zu lesen. Es wollte einfach nicht funktionieren, weil sie die Zeichenfolge als „Bietsch“ (engl. „Strand“) lasen. Erst mein Hinweis, dass sie das Wort Buchstabe für Buchstabe lesen sollten brachte die Erkenntnis, dass sie es mit dem Wort „Berg“ zu tun hatten. So hat mein Wörterbuch all das erfüllt, was ich mir vorgenommen habe: „Mim reen kumma d‘ Leit zamm!“
Über den Autor
Martin Stangl sagt von sich als überzeugter Oberpfälzer: „Die Natur passt, die Menschen passen, das Essen und das Trinken passen. Ich sehe mir gerne ferne Länder und Kulturen an, komme aber sehr gerne zurück in meine Heimat. Als Ex-Buchhändler fasziniert mich das geschriebene und gesprochene Wort. Ich freue mich darüber, was man mit Dialekt alles ausdrücken kann. Das beste Beispiel: „Du bist fei a Hund!“ Eine der größten Auszeichnungen für einen Menschen, obwohl der ‚Hund‘ ganz knapp neben dem Schimpfwort „Hundsgribbl“ daheim ist.“
Infos zum Buch
Das Buch „Oberpfälzer Wörterbuch. Vo Aungdeggl bis Zintara“ ist ist 2024 im Battenberg Gietl Verlag erschienen und kostet 14,90 Euro. Erhältlich ist es im Buchhandel oder direkt im Online-Shop.