
Alles wird OANS in Kallmünz
„Es ist schon verrückt, was so alles im Leben passiert“, überlegt die Diplom-Bildhauerin Franzi und lacht. „Ich hätte wirklich nie gedacht, dass ich einmal zurück in die Gastro kehre.“ Vielleicht Schicksal, vielleicht aber auch irgendwie in ihren Genen verankert: Der Goldene Löwe ist über 450 Jahre alt und wurde von Franzis Eltern seit Ende der 1970er Jahre in fünfter Generation erfolgreich betrieben. „Ich bin hier drin quasi aufgewachsen“, sagt die dunkelhaarige Frau und blickt von der Theke über die Tische mit karierten Deckchen im Gastraum. „Ich habe hier schon immer nebenbei gearbeitet, meine Levis mit Ausschank und Service verdient.“
Irgendwann nach dem Abi wird ihr das heimatliche Dorf im Landkreis Regensburg zu klein. Erst studiert sie Internationales Hotelmanagement in der Schweiz, dann Kunst in München. Mit dem Diplom in der Tasche zieht die angehende Bildhauerin nach Berlin, trifft irgendwann dazwischen ihren zukünftigen Ehemann Jürgen, der ebenfalls in München Kunst studiert hat, und zieht letztlich mit ihm gemeinsam zurück nach Kallmünz. Dort arbeitet Jürgen bereits im „Zum Bürstenbinder“, gemeinsam wollen sie die Sanierungsarbeiten der Eltern Luber am Schloss Raitenbuch fortsetzen.
Alles wird OANS
Und so entsteht Baustein für Baustein, was die Diplomkünstler:innen, Unternehmer:innen und Tausdendsassas heute OANS nennen: Neben dem „Zum Goldenen Löwen“ betreiben die beiden den „Zum Bürstenbinder“, das kleinste Wirtshaus der Oberpfalz, das Boutique-Hotel und Orangerie „Schloss Raitenbuch“, einen Hofladen sowie die Destillerie Callm.
„Das ist schon viel, was wir hier machen, vielleicht haben wir es uns etwas einfacher vorgestellt“, gibt Franzi zu. „Aber eigentlich hätte ich es ja wissen müssen.“ Jürgen nickt, während er die Meerrettichsauce schaumig schlägt: „Obwohl wir nur von Donnerstag bis Sonntag geöffnet haben, stehe ich täglich teilweise 14 bis 16 Stunden hier in der Küche, mit dem Vorkochen und allem drum und dran.“ Trotz des immensen Arbeitsaufkommens grinst der Quereinsteiger fröhlich als er das erzählt. Seine Kunst vermisse er aktuell nicht, sagt er. Dafür habe er viel zu viel zu tun. Er lerne unglaublich dazu und sein Anspruch an die eigene Küche sei extrem hoch: „Das ist unsere Unterschrift, was aus der Küche geht, muss schmecken.“
Regional, nachhaltig und auch vegetarisch
Doch nicht nur die Perfektion in der Produktion ist Teil des Konzepts im „OANS“, sondern vor allem die Regionalität und Qualität der Zutaten sowie die Nachhaltigkeit dieser. Ihr Wildfleisch für den „Löwen“ etwa bekommt das kreative Paar aus den bayerischen Staatsforsten, den Fisch von einer regionalen Fischzucht oder von befreundeten Angler:innen. Auch Oberpfälzer Seadfood kredenzt Jürgen – und zwar heimische Krebse aus der Vils und Lauterach.
Ein weiterer Schwerpunkt in der Küche ist die vegetarische Kost: „Abwechslungsreiche und spannende Gerichte ohne Fleisch zu servieren ist gar nicht so einfach“, sagt der Bildhauer, der sich sein Gastro-Know-how von regionalen wie überregionalen Köch:innen und Kursen angeeignet hat. „In den meisten Restaurants gibt es als vegetarisches Gericht einfach Currys, aber die haben natürlich gar keinen Bezug zur Region, also kommen asiatische Speisen bei uns nicht auf die Karte.“
Schwerpunkt vegetarische Küche
Jürgen und Elisabeth, die gelernte Buchhändlerin und passionierte Hobbyköchin unterstützt Jürgen in der Löwen-Küche, investieren gemeinsam mit Franzi viel Zeit in die Recherche der Gerichte sowie der perfekten Komposition. „Was ganz gut ankommt“, berichtet Jürgen, „sind unsere Schlutzkrapfen mit dreierlei Füllung, Spinatlasagne mit Pfannkuchen und veganem Speck, Rote-Beete-Sülze oder gebackener Schafskäse mit Dotsch und marinierten Trauben.“
Franzis Vater entdeckte in den späten 1980er-Jahren auf dem Dachboden des Anwesens einen Zoiglstern und fand im Zuge dessen heraus, dass der Löwe sowohl Brau- wie Brennrecht besitzt. Für „OANS“ nahezu perfekt bzw. ein weiterer Baustein: „Mein Papa hat damals mit dem Brauen des Gänsbügls, und dem Schnapsbrennen angefangen, wir nehmen die Idee auf, führen sie fort, schärfen die Rezepte und bauen die Produkte weiter aus“, erklärt Franzi den flüssigen Part von OANS. Ganz neu in der Brauerei sind das Craft-Beer Indian Pale Ale sowie ein kräftiges Weihnachtsbier.
Keep CALLM and have a Schnaps
Aus dem hauseigenen Bier entstehen übrigens die hochprozentigen Kreationen wie Whiskey und Gin in der Destillerie Callm. Jürgens Cousin Lukas, gelernter Mechaniker, und Brauer- wie Brenner aus Leidenschaft, zeichnet für die feinen Geiste verantwortlich. Unterstützt wird Lukas dabei von Hausmeister Andi, „dem Mann für Alles“, erläutert Jürgen.
Während Jürgen das Weihnachtsmenü in der Küche zubereitet, Andi das Bier etikettiert, Lukas im Keller die Boatnicals vorbereitet und Franzi Bestellungen annimmt, rieselt draußen leise der Schnee. Dicke Flocken bedecken den leuchtenden Weihnachtsbaum inmitten des alten Innenhof. „Mei, is des schee“, sagt Jürgen und lacht dabei fröhlich. „Wir haben zwar echt viel zu tun hier mit OANS, aber wir machen es ja auch für uns – und spannend ist die Reise, allemal. Da muss man nicht lange überlegen, warum wir hierher zurückgekehrt sind!“
Als Kind der 80er konsumierte das damalige Army Brat so ziemlich alles, was die Kinoleinwände zwischen der good ol’ Oberpfalz und Fort Knox so hergaben. LADY OSCAR, und DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER stellten die Weichen für ihr Berufsleben: Nach einem Volo frönte sie den Film- & Literaturwissenschaften in Berlin und arbeitete für verschiedene Medien.