Geigenbauerin Judith spielt auf einer Geige
Foto: Johannes Zrenner

Klingt gut: Für Geigenbauerin Judith Bauer stimmt in Weiden alles

Noch am Abend ihrer Abiturprüfung verlässt Judith Bauer Weiden. Erst 23 Jahre später kehrt sie als erfolgreiche Geigenbauerin und Mutter zweier Kinder zurück in die Oberpfalz – um für immer zu bleiben. Was sie am meisten vermisst hat in ihrer ehemaligen Wahlheimat Portugal? Die Wärme und Gemütlichkeit der Oberpfalz.

Sie zieht an einer dünnen Perlenschnur und die Jalousien öffnen sich. Das langgezogene Fenster in ihrer Werkstatt wirkt wie eine Bühne. Die Frau blickt durch die Scheibe hinaus auf eine geschäftige Straße, blinzelt gegen die Sonne und setzt die Geige an. Als ob sie ihr Spiel auf die Szenerie abgestimmt hätte, streicht die Geigenbauerin Ton für Ton, die wahren Protagonisten in diesem Stück, einzeln. Jedem einzelnen Klang misst Judith Bauer so viel Bedeutung bei, als sei er allein ein ganzheitliches Meisterwerk.

„Wenn man eine neu gebaute Geige das erste Mal anstreicht, dann kribbelt es unter der Haut. Es ist ja auch für das Instrument das erste Mal, dass es klingt“, sagt Judith Bauer. Um so mehr das Instrument gespielt werde, umso besser würden sich die einzelnen Teile aufeinander einstimmen „Das ist wie beim Menschen eben auch, wenn man älter wird, findet man zu sich“, sagt sie und lacht.

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Im Nachtzug nach Cremona

23 Jahre lebte sie im Ausland, zuletzt 18 Jahre in Portugal. Dann wurde die Sehnsucht nach der alten Heimat zu groß. Zusammen mit ihren beiden Kindern und Ehemann beschloss sie, Nägel mit Köpfen zu machen. Jetzt ist sie zurück – und baut Geigen in Weiden.

Aber von vorne: Judith Bauer wuchs in Weiden in der Oberpfalz auf, besuchte dort Gymnasium und Musikschule. Als sie mit 14 Jahren erstmals die Werkstatt eines Geigenbauers in Regensburg besuchte, war sie begeistert. Ab da war für sie klar: „Das will ich auch. Ich will Geigen bauen.“

„Angst vor dem Weggehen hatte ich keine, denn ich wusste ja, die Oberpfalz ist immer da.“Judith Bauer

Noch am Abend ihrer letzten Abiturprüfung bestieg sie den Nachtzug nach Italien, um am nächsten Tag an der Aufnahmeprüfung der Internationalen Geigenbauschule in Cremona teilzunehmen. „Ich erinnere mich noch gut an die erste Fahrt über die Alpen“, sagt Judith. „Angst vor dem Weggehen hatte ich keine, denn ich wusste ja, die Oberpfalz ist immer da. Ich kann immer dorthin zurück.“

Die Prüfung bestand sie, absolvierte die fünfjährige Ausbildung. Danach suchte Judith Arbeit, von Deutschland wollte sie aber noch nichts wissen. Ihr Weg führte sie über Frankreich nach Lissabon. Dort arbeitete sie zwei Jahre bei einem Luthier, anschließend machte sie sich selbstständig.

Ihren Mann Luis lernte sie 2011 beim Fallschrimspringen nahe Lissabon kennen: „Ich habe damals einen Kurs gemacht, er war mein Coach. Und dann kamen irgendwann die beiden Kinder“, sagt sie und lacht. „Selbstständig zu sein, ohne Familie, ohne Oma – das ist anstrengend“, erinnert sich die zweifache Mutter. Ihr Mann war damals beruflich ebenfalls sehr eingebunden, konnte ihr wenig mit den Kindern helfen. „Portugal ist toll, ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen, die mich toll aufgenommen haben, aber irgendwann kam trotzdem das Heimweh“, sagt Judith.

„Das hört sich jetzt vielleicht seltsam an, aber ich habe mich nach der Wärme der Oberpfalz gesehnt. Ich habe noch nie so viel gefroren wie in Portugal.“ Das habe vor allem mit der Bauweise der Häuser und den landestypischen, zwar wunderschönen, aber kalten Fliesen zu tun. Im Winter gebe es keinen Schnee, dafür aber viel Regen.

Judith und ihre beiden KinderNicht nur Judith, auch ihre beiden Kinder sind inzwischen sehr glücklich in der Oberpfalz. Foto: Johannes Zrenner

Zweifel vor dem Umzug

„Wenn man als junger Mensch seine Heimat verlässt und ins Ausland geht, öffnet einem das die Sichtweise auf viele Dinge, die man als selbstverständlich annimmt“, meint Judith. „Erst viel später lernt man diese Dinge wie etwa Gemütlichkeit, Sicherheit, saubere Luft und eine gute Nachbarschaft zu schätzen.“ Obwohl der Wunsch, nach Weiden zurückzukehren, immer stärker wurde, packten sie Zweifel: „Ich hatte eine angesehene Werkstatt, die Kinder waren voll in die Gesellschaft integriert und an die portugiesische Lebensweise gewöhnt. Ich habe mich immer wieder gefragt, ob es wirklich richtig wäre, Portugal zu verlassen.“

Sie teilte ihre Wünsche und Bedenken mit ihrer Familie. Die Kinder waren sofort begeistert von der Idee, in die Nähe der Oma zu ziehen. Auch Ehemann Luis war einverstanden und machte den Vorschlag: „Wir nehmen uns ein Jahr und sehen, was passiert.“

„Hier darf ich sein, hier bin ich geboren und aufgewachsen. Hier muss ich mich nicht verbiegen.“Judith Bauer

Während der vergangenen zwölf Monate hat sich die Familie ein gemütliches neues Zuhause in der Oberpfalz geschaffen. Luis, der Soldat beim portugiesischen Militär ist, pendelt zwischen Portugal und Weiden, die Kinder sind glücklich in der Schule und Judiths Kundenstamm wächst. Von Hof bis Passau kommen ihre Kunden, denn es gibt nur wenige weitere Geigenbauer in der näheren Umgebung.

Judith Bauer legt die Violine, deren Klang sie gerade kontrolliert hat, in einen Geigenkasten. Anschließend schließt sie die Jalousien und lässt die Rollläden an den Fenstern herunter, hängt ihre blaue Schürze an die Garderobe und löscht das Licht in der Werkstatt.
Es ist kurz vor 13 Uhr, sie will die die Kinder von Kindergarten und Schule abholen. Anschließend geht es auf den Markt, heute wollen sie Brathähnchen essen. „Dieses eine Jahr, das wir uns als Probezeit gegeben haben, ist vorbei – und ich bleibe. Ich fühle mich gut. Hier darf ich sein, hier bin ich geboren und aufgewachsen. Hier muss ich mich nicht verbiegen.“

Zum Glück (zurück)

Judith Bauer ist Teil des Projekts „Zum Glück (zurück)“. In dieser 18-teiligen Serie stellen wir Oberpfälzer vor, die ganz bewusst nach einem Blick über den Tellerrand und einer Zeit außerhalb der Region zurückgekehrt sind. Es sind Menschen, die zurück in ihre alte Heimat ziehen und diese mit ihren Erfahrungen und Know-how vorantreiben – die Oberpfalz bunter, fortschrittlicher und moderner machen.

Gefördert durch Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie

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Als Kind der 80er konsumierte das damalige Army Brat so ziemlich alles, was die Kinoleinwände zwischen der good ol’ Oberpfalz und Fort Knox so hergaben. LADY OSCAR, und DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER stellten die Weichen für ihr Berufsleben: Nach einem Volo frönte sie den Film- & Literaturwissenschaften in Berlin und arbeitete für verschiedene Medien.