Frau sitzt vor einem Haus und näht
Foto: Klaus Schicker

Mittelalter zum Anfassen im Geschichtspark Bärnau-Tachov

Was machten die Menschen früher den ganzen Tag ohne Fernsehen, Mobiltelefon und Internet? Das kannst Du im Geschichtspark Bärnau-Tachov im Landkreis Tirschenreuth herausfinden. Hier wird Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes lebendig. 2021 feiert das größte archäologische Freilandmuseum Deutschlands seinen 10. Geburtstag.

Mittelalter boomt: Märkte und Bücher, Filme und Serien mit diesem Thema sind top aktuell. Doch nur selten kommen diese der historischen Realität nahe. In Bärnau im Landkreis Tirschenreuth ist das anders. Hier kann man sehen, wie das Leben im 9. bis 14. Jahrhundert tatsächlich war. Im dortigen Geschichtspark Bärnau-Tachov sind seit 2011 bereits 30 Gebäude entstanden, die originalgetreu nach archäologischen Funden gebaut und möbliert sind.

Besonders bei Veranstaltungen wird das Mittelalter im Geschichtspark wirklich „lebendig“. Dann zeigen Darsteller:innen in historischer Kleidung das Alltagsleben der Menschen. Es wird gekocht, gebaut, Handwerk vorgeführt oder geerntet. So erleben die Besucher:innen ganz konkret, wie hart die Zeit war, aber auch wie unerwartet fortschrittlich viele Arbeitstechniken waren.

10 Jahre Geschichtspark – Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft

Der über Jahrhunderte gewachsene gemeinsame Kulturraum zwischen Nürnberg und Prag, mit der unter Kaiser Karl IV. so bedeutsamen „Goldenen Straße“ wurde durch den „Eisernen Vorhang“ jäh unterbrochen.  Diesen Kulturraum wieder zusammenwachsen zu lassen, haben die Vereine „Terra Tachovia“ aus der tschechischen Stadt Tachov und „Via Carolina-Goldene Straße e.V.“ aus der bayerischen Stadt Bärnau vor zehn Jahren mit unglaublichem Engagement und Willen auf den Weg gebracht. Mit hunderten ehrenamtlichen Helfer:innen mit mehr als 50.000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden entstanden in den vergangenen Jahren mehr als 30 Rekonstruktionen vom 8. bis zum 13. Jahrhundert nach Originalbefunden, wodurch der Geschichtspark Bärnau-Tachov zum größten mittelalterlichen archäologischen Freilandmuseum in Deutschland aufstieg.

Mit einem grenzüberschreitenden Maßnahmenpaket mit dem Fokus auf die Themenbereiche Ökologie, Bildung, Handwerk und Regionalität wird in den Jahren 2021/2022 weiter in die Zukunft investiert, durch das bayerisch-tschechische Team des Vereins und allen beteiligten Partner:innen soll Bewegung in die Weiterentwicklung der bayerisch-tschechischen Beziehungen gebracht werden. Mit der Bauhütte Bärnau wird im Sinne des traditionellen Bauhüttenwesens ein Projekt zur Wissenssammlung und -vermittlung sowie der Erprobung und Erforschung von Techniken entstehen. Mit dem Vorhaben „ökologisches Naturdorf“ sollen Häuser errichtet werden, bei denen die traditionellen Bauweisen und regionale Materialien mit dem Wohnstandard der heutigen Zeit vereint werden.

Im Bildungssektor sind das Projekt „Didaktik über Grenzen“ und das Vorhaben „Erinnerungs- und Versöhnungskultur Paulusbrunn“ als wichtige Eckpfeiler der Zukunft geplant. Mit den Universitäten Pilsen und Regensburg sowie der OTH Amberg-Weiden werden mediale Unterrichtsmaterialien für angehende Lehrer und Schüler:innen entwickelt. Das verschwundene Dorf Paulusbrunn ist als internationales Gemeinschaftsprojekt mit dem Ziel der Teilfreilegung für die nachfolgenden Generationen und als lebendiges Zeichen einer Erinnerungs- und Versöhnungskultur von zentraler Bedeutung. Mit der Realisierung des Historischen Pfads Böttgerweg mit dem rührigen Arbeitskreis Paulusbrunn wird die grenzüberschreitende Geschichte um Vertreibung, Eiserner Vorhang und das Wiederzusammenwachsen der Region der nachfolgenden Generation nahegebracht.

Eine wichtige Station auf der Goldenen Straße

Bei einem Spaziergang durch das weitläufige Freilichtmuseum werden die Besucher:innen zunächst zurückversetzt in die Zeit, als die ersten slawischen Sippen im 8. und 9. Jahrhundert in das bayrisch-böhmische Grenzgebiet kamen. Zu sehen ist hier eine Siedlung mit verschiedenen Haustypen, wie sie in der Region üblich waren.

In einer zweiten Siedlungsgruppe erinnert der Park an die Christianisierung der heidnischen Slawen im 11. Jahrhundert. Diese wird symbolisiert durch eine 15 Meter hohe Turmhügelburg, eine Kirche sowie das Wohngebäude des Ministerialen. Ministeriale waren eine Art adeliger Verwalter, die das Reich zur Befriedung einsetzte.

Interessantes Detail: Die Kirche ist die Rekonstruktion eines Gotteshauses aus dem Landkreis Kitzingen. Sie war der hölzerne Vorgängerbau der späteren Kirchenburg Kleinlangheim, der auf das 11. Jahrhundert zurückgeht. Wie das Vorbild ist der Nachbau elf mal sechs Meter groß. Die Stabbauweise erinnert an die skandinavischen Kirchen, wie sie heute zum Teil noch stehen.

Das dritte Zeitfenster im Geschichtspark steht für die frühe Städtebildung. Mit den typischen Handwerkerhäusern und vor allem der mächtigen Herberge wird dabei eine entscheidende Entwicklung deutlich: Der Fernhandel gewinnt im 13. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung. Zu einer der wichtigsten Reiseroute der Händler wird in dieser Zeit die Strecke zwischen Nürnberg und Prag, die „Goldene Straße“. Diesen Weg wählte Kaiser Karl IV. (1316 – 1378), der gemeinsame König von Deutschland und Böhmen, um zwischen seinen beiden Amtssitzen zu pendeln. Bärnau liegt in der nördlichen Oberpfalz im Landkreis Tirschenreuth. Die Stadt war damals wie heute Grenzort zu Tschechien und damit eine wichtige Station auf der Goldenen Straße.

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Schaubaustelle "ArchaeoCentrum bayern-böhmen"

Direkt neben dem Geschichtspark entsteht seit 2018 ein Königshof für Karl IV. neu. Auf der mittelalterlichen Schaubaustelle kann einem engagierten Team aus Handwerksmeistern zugesehen werden, wie in den nächsten 20 Jahren rein mit mittelalterlichen Techniken und Werkzeugen ein großer Steinkomplex mit sechs einzelnen Bauwerken entsteht. Hier kannst Du erleben, wie Kalk gebrannt und Eisen verhüttet wird, Steine werden von Hand gespalten und aus Stämmen nur mit der Axt Balken gehauen. Ein besonderes Highlight der Baustelle ist der Betrieb des Holzkrans, der nach mittelalterlichem Vorbild gebaut wurde.

Das zu Grunde liegende binationale Projekt ArchaeoCentrum bayern-böhmen ist eine Kooperation mit den Universitäten Bamberg, Pilsen und Prag und soll sowohl den wissenschaftlichen Nachwuchs ausbilden als auch das historische Handwerk erforschen und bewahren.
Träger des Geschichtsparks Bärnau-Tachov und des ArchaeoCentrums bayern-böhmen ist der Verein Via Carolina – Goldene Straße e. V. Dieser setzt sich mit seinen Projekten für das Wiederentdecken der gemeinsamen deutsch-tschechischen Geschichte in der Region ein. Das Natur- und Kulturerbe soll erforscht und der Öffentlichkeit vermittelt werden.

Um Ökologie und Artenvielfalt geht es bei den Projekten „Green belt“ und „Kräuterwerk“. Gemeinsam mit tschechischen Partnern wird das durch den Eisernen Vorhang entstandene Grüne Band thematisiert und der sorgsame Umgang mit der Natur Schülern und Jugendlichen nahe gebracht. Ein umweltpädagogischer Lehrpfad über die Geschichte der Entstehung des „Grünen Bandes“, des Eisernen Vorhangs mit dem Untergang der „verschwundenen Dörfer“ sowie die Entwicklung von Ökosystemen, Biokorridoren und das Thema Naturschutz stehen auf der Agenda. Mit dem „Kräuterwerk“ entsteht ein Bildungsort für Biodiversität mit Wildkräutergarten, Kräuterklassenzimmer und somit ein wichtiger Baustein zur Vermittlung von Artenvielfalt. Besondere Themen des Standortes werden Kräuter und Mittelalter, sowie Kräuter und Handwerk.

Mann beim HandwerkenBei vielen Veranstaltungen beleben Darsteller:innen in historischer Kleidung den Park. Dann können Besucher:innen zusehen, wie rund um die Häuser altes Hand- und Hauswerk verrichtet wird. Foto: Klaus Schicker

Ein Paradies für Familien

Das Museumsdorf des Geschichtsparks ist übrigens ein Museum ganz nach dem Geschmack der Kinder. Sie müssen nicht still sein und an der Hand gehen – nein! Hier dürfen sie neugierig Türen öffnen und in jede Ecke schauen. Sie können die mächtigen Wollschweine Eberhard und Kunigunde bestaunen, und wenn sie Glück haben, sehen sie eines der Lämmer auf der Schafweide. Sie können die Turmhügelburg erstürmen oder ihre Füße in den Weiher daneben hängen. Und so ganz nebenbei erfahren sie etwas, das nicht nur für die Schule wichtig ist: Sie lernen Geschichte zu begreifen. Einmal im Jahr veranstaltet der Trägerverein Via Carolina – Goldene Straße e.V. außerdem auf dem Museumsvorplatz außerdem ein großes Kinder- und Familienfest.

Öffnungszeiten und Preise

Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18Uhr
letzter Einlass: 17 Uhr
Montags – außer an Feiertagen – geschlossen.

In den Shop oder in die einzelnen Häuser im Park dürfen immer nur Mitglieder eines Hausstands. Achte beim Eintritt auf die obligatorische FFP2-Maske und den 1,5m-Abstand!

Die Öffnung des Geschichtsparks (sowie die Durchführung von Veranstaltungen) ist immer abhängig vom aktuellen Infektionsgeschehen und den entsprechenden politischen Maßnahmen.

Audio-Guides stehen kostenlos zur Verfügung.

Außerhalb der Saison ist der Besuch für Gruppen nach Voranmeldung jederzeit möglich.

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