Mario Weiß sitzt in seinem Studio
Foto: Filmmaschine

Yellow King ist in Illschwang zu Hause

Das Axolotl passt sich jeder Umgebung an. Mario Weiß nicht. Er will dort leben, wo er „nichts mehr ändern muss, um glücklich zu sein“. Das ist für ihn die Oberpfalz. Nach einer persönlichen Odyssee ist der Multimediaverleger wieder zurück in der Heimat und produziert Hörbücher für Fans der modernen Horrorliteratur.

„Sie mag verstörend sein, die Erkenntnis, dass sich eine jede Seele während ihres irdischen Daseins zumindest einmal auf eine Odyssee begeben muss. Aber irgendwann – und diese Feststellung wiederum beruhigt meinen aufgebrachten Geist ungemein – kommt der Reisende doch an. Ebenso, wie der junge Mann, der seit Stunden auf dem blutroten Sofa aus Samt sitzt und liest. Er bewegt sich kaum. Verhält sich ganz still. Lediglich seine Augen huschen unruhig über die Seiten, die er fast im Minutentakt umblättert. Längst vergangene Schatten seiner Odyssee kriechen aus den Ecken des Raumes hervor, wollen sich um seine Beine schlängeln. Doch dann passiert etwas Unglaubliches. Dieses Phänomen, das ich nun schildern werde, überwältigte mich fast: Als die dunklen Wesen ihn berührten, lösten sie sich plötzlich in Luft auf. Sie sind nicht mehr von Wichtigkeit für unseren Abenteurer, denn seine Suche hat ein Ende, die Dämonen seiner Irrfahrt außerhalb der Heimat, nur noch Schatten ihrer selbst …“

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

So oder so ähnlich hätte es sich vielleicht gelesen, wenn berühmte Autoren des modernen Horrors wie H. P. Lovecraft oder Robert W. Chambers über Mario Weiß und seine Rückkehr in die Oberpfalz geschrieben hätten. „Ja, das hört sich gut an, so könnte meine Geschichte tatsächlich in einem Pulp-Magazin stehen“, sagt der Verleger aus Sulzbach-Rosenberg und lacht. Er muss es wissen, denn im Horrorgenre kennt er sich besonders gut aus.

Weiß wie Gelb

Seit Jahren ein Fan der sogenannten Weird Fiction, ein Subgenre der spekulativen Fiktion unter das Fantasy-, Supernatural Fiction- und Horror-Geschichten fallen, hat Mario Weiß sogar seinen Multimedia-Verlag „Yellow King Productions“ nach einer berühmten Figur der unheimlichen Phantastik benannt. Dem „König in Gelb“. „Es hat mehrere Gründe, warum ich mich für diesen Namen entschieden habe“, erläutert der Mann mit den kurzen dunkelblonden Haaren. Zum einen produziere er Hörbücher mit genau dieser Art von Geschichten. Zum anderen sei diese Figur von mehreren Personen über Jahre hinweg erschaffen und in vielen Schritten weiterentwickelt worden. „Man kann schon sagen, der König in Gelb hat, gleich mir selbst, mehrere Entwicklungsphasen durchlaufen müssen, um seine Vollendung zu erlangen“, so der Audioproduzent.

Mario Weiß sitzt in seinem StudioDas Tonstudio - der Hauptarbeitsplatz von Mario Weiß, Hörspielproduzent aus Sulzbach-Rosenberg. Foto: Filmmaschine

In Marios Fall war das Ziel ein berufliches erfülltes und glückliches Leben in der Heimat. Die Schritte, die er dafür gehen musste, führten ihn aber erst einmal weg aus der Oberpfalz, raus aus Bayern. Schon als Teenager habe er gefühlt, dass seine berufliche Zukunft mit Hörspielen und Musik zu tun haben werde. „Ich wusste schon früh, welche Richtung ich einschlagen will. Aber mir war nicht klar, wie ich das realisieren konnte“, sagt der heutige Verleger. „Ich dachte, man muss erst den herkömmlichen Weg gehen. Also habe ich eine Ausbildung begonnen, die mir keinen Spaß machte und dann eine Musikschule besucht, die mir die Lust auf die Musik eher kaputt machte, als diese zu fördern.“

Sein beruflicher Werdegang führt ihn später zum US-Militär. Mario Weiß wird immer wieder versetzt, seine Stationen überall dort, wo es große amerikanische Kasernen gibt. „Grundsätzlich und objektiv betrachtet war das gut, ich habe tolle Leute kennengelernt und viel gesehen – aber für mich glich das eher einer Odyssee. Das Positive daran, ich habe erkannt, dass ich in der Heimat verwurzelt bin.“

Für ihn gebe es zwei Ankerpunkte in seinem eigenen Leben: Nostalgie und Gewohnheit. „Nostalgie verbinde ich mit meiner Kindheit. Für mich ist es die Sehnsucht nach etwas unbewusst erlebten, an das man sich zwar zu erinnern glaubt, aber weiß, dass es nie wieder bewusst so erlebt werden kann. Das ist aber nicht schlimm oder negativ. Denn Leben ist ein Stück weit auch Illusion“, erklärt der Mann, der von sich selbst sagt, er denke zu viel nach, seine Gedanken.

„Perfektion ist, wenn ich nichts mehr ändern muss, um glücklich zu sein.“Mario Weiß

Mario Weiß geht spazierenMario Weiß, findet Ausgleich und Ruhe in der Natur. Foto: Filmmaschine

Der andere Anker ist für ihn Gewohnheit: „Für mich bedeutet sie, dass ich als Erwachsener an einem Punkt angekommen bin, an dem ich nichts mehr verändern muss, weil ich mich soweit perfektioniert habe, dass ich mich einfach wohl fühle.“ Kurz überlegt er, dann grinst er: „Da gibt es ein kleines Tier, das Axolotl. Das ist extremophil und kann sich somit jeder Umgebung perfekt anpassen. Ich bin wahrscheinlich das Gegenteil davon, da ich lange brauche, um mich an neue Gegebenheiten zu gewöhnen.“

So kam es, dass sich Mario Weiß gegen den sicheren Job und für die Selbstständigkeit in der Oberpfalz entschieden hat. „Ich habe viel darüber nachgedacht. Natürlich macht man sich Sorgen um das Finanzielle, ich bin ja jetzt auch keine 20 mehr. Aber der Wunsch, meinen Traum zu verwirklichen und nach Hause zurückzukehren, war größer als der Wille, ihn zu ignorieren.“ Der Literat hält kurz inne, scheint zu überlegen und zitiert H.P. Lovecraft: „Das älteste und stärkste Gefühl ist Angst, die älteste ud stärkste Form der Angst, ist die Angst vor dem Unbekannten.“

Mittlerweile ist das über 220 Quadratmeter große Studio in Illschwang fast fertig umgebaut. Die Proberäume darin sind alle vermietet und die Verlagsprodukte – vom Horror-Hörbuch „Das Artefakt“, des Amberger Autoren Jörg Fischer, bis zum jüngst erschienen Comic „The Glory – Für den Ruhm“ aus der Feder eines norwegischen Autors – laufen deutschland- und europaweit sehr gut.

Ein Blick auf Marios Werke: CD und Album CoverYellow King Productions produziert hauptsächlich Hörspiele aus dem Weird-Fiction-Genre. Foto: Filmmaschine

Kreative Szene

„Ich brauche keine Großstadt, um kreative Leute zu finden, davon gibt es wirklich genügend in der Heimat“, sagt Mario, der sowohl mit regionalen wie überregionalen Autoren und Sprechern zusammenarbeitet. „Wir haben eine eigene Sprecherdatenbank, die Stimmen aus ganz Deutschland beinhaltet – und eben auch einige aus der Oberpfalz.“ Abseits der herkömmlichen Wege wie der Recherche im Internet oder Empfehlungen findet der Produzent viele seiner Künstler, in dem er den Menschen einfach zuhört: „Wenn ich eine Stimme sowie die Aussprache gut finde, frage ich die Person, ob sie nicht mal Lust hätte, etwas einzusprechen.“

Inspiration holt sich Mario auf seinen vielen Spaziergängen durch das Amberg-Sulzbacher Land: „Mit ihren dunklen Wäldern ist die Region düster und mysteriös. Aber auf der anderen Seite spendet sie auch viel Hoffnung mit ihren goldenen Feldern – genau das brauche ich für mein Seelenheil“, sagt er.
Liefert die Oberpfalz selbst auch Stoff für Grusel-Storys? „Für mich ja“, sagt der Comicbuch-Fan. „Das fängt schon mit den Geschichten an, die die Nachbarn sich früher über Sagenwesen aus der Gegend erzählt haben. Da ging es um Druden und Heumänner. Es gibt noch so viele spannende Geschichten, die nur darauf warten, entdeckt und erzählt zu werden.“

"Der Anruf"

von Georg Britzkow | Um das Kurzhörspiel "Der Anruf" von Georg Britzkow perfekt genießen zu können, empfiehlt der Gelbe König, es in völliger Dunkelheit und mit Kopfhörern anzuhören. Der Protagonist Crawford wird übrigens von dem Amberger Patrick Santy gesprochen.Wir wünschen viel Vergnügen.

Zum Glück (zurück)

Audioproduzent und Verleger Mario Weiß ist Teil des Projekts „Zum Glück (zurück)“. In dieser 18-teiligen Serie stellen wir Oberpfälzer vor, die ganz bewusst nach einem Blick über den Tellerrand und einer Zeit außerhalb der Region zurückgekehrt sind. Es sind Menschen, die zurück in ihre alte Heimat ziehen und diese mit ihren Erfahrungen und Know-how vorantreiben – die Oberpfalz bunter, fortschrittlicher und moderner machen.

Gefördert durch Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie

+ posts

Als Kind der 80er konsumierte das damalige Army Brat so ziemlich alles, was die Kinoleinwände zwischen der good ol’ Oberpfalz und Fort Knox so hergaben. LADY OSCAR, und DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER stellten die Weichen für ihr Berufsleben: Nach einem Volo frönte sie den Film- & Literaturwissenschaften in Berlin und arbeitete für verschiedene Medien.