Das Team von Beweger Blick
Foto: Bewegter Blick

Happy Locals – Warum Kreative in der Oberpfalz gründen

Hipsterbart und Röhrenjeans, teure MacBooks und stylische Instagram-Kanäle: Die Macher der Videoagenturen Bewegter Blick und QXXQ entsprechen jedem Klischee, das es über Kreative gibt. Fast jedem. Denn ihre Agenturen sitzen nicht in Hamburg oder Berlin, sondern in Wernersreuth und Waldmünchen. Was ihre Kunden zu den ungewöhnlichen Adressen auf ihren Visitenkarten sagen? Darauf haben beide Agenturchefs eine eindeutige Antwort.

„Hart an der Grenze“ – so steht es auf der Website der Videoagentur Bewegter Blick. „Hart an der Grenze“ liegt auch der Firmensitz, im 120-Seelen-Ort Wernersreuth, nur wenige Kilometer vom Grenzübergang nach Tschechien entfernt. Hier lässt Gründer Marco Härtl gerade den alten Pfarrhof des Dorfes renovieren. Schon an der Haustüre beginnt der 31-Jährige zu erzählen: über seine Kindheit hier im Ort, den Hof seiner Eltern direkt nebenan und seine Pläne mit dem noch halbverfallenen Gebäude. Die alten Türen bleiben – das ist ihm wichtig. Sie sollen den Kontrast bilden zu den modernen und reduzierten Schreibtischen, die gerade ein Schreiner aus dem Nachbarort anfertigt. Marcos Augen leuchten, als er lässig mitten in der staubigen Baustelle am Kachelofen lehnt. Er deutet zu den Glasfaserkabeln in der Wand, die ihn bald mit Kunden aus ganz Deutschland vernetzen sollen. Für die macht Marco seit sieben Jahren Werbefilme und Imagevideos, aber auch strategische Markenberatung.

Kultur- und Kreativwirtschaft ist der etwas sperrige Begriff, unter den Marcos Neugründung fällt. Aber er liegt damit im Trend: In der Oberpfalz erwirtschaften mehr als 2.200 Selbständige und Unternehmen in dieser Branche knapp eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Tendenz: steigend.

"Nur einen Wald entfernt von München"

Die Gründer von QXXQMatthias und Franziska - ein Geschwisterpaar mit einer gemeinsamen Mision. Foto: QXXQ

Dass Marco kein Einzelfall ist, beweisen knapp 100 Kilometer weiter südlich die Geschwister Franziska und Matthias Eiban. Sie gründeten vor einigen Jahren die QXXQ Studios. Bei der Produktion ihrer Videos haben sie vor allem einen sehr hohen ästhetischen Anspruch, egal, ob es sich um Dokumentationen, Animationsfilme oder Clips für Social-Media-Kanäle handelt.

Jetzt sitzen sie in ihrem halbfertigen neuen Büro in einem alten Sudhaus, direkt am Marktplatz von Waldmünchen – „nur einen Wald entfernt von München“, sagt Matthias und lacht. Negative Reaktionen von Kunden auf die doch eher ungewöhnliche Firmenadresse hat der 27-Jährige noch nicht erlebt: „Gerade internationale Konzerne interessiert die Herkunft doch überhaupt nicht.“ Und auch Marco von Bewegter Blick sieht durchaus Vorteile darin, als Kreativagentur in einer ländlichen Region zu arbeiten: „Ich überzeuge meine Kunden, dass es kein Widerspruch ist, inhaltlich und technisch up-to-date zu sein und gleichzeitig die Ruhe auf dem Land zu nutzen. Am Ende zählt nur, dass wir fachlich überzeugen.“

Und das tun beide Agenturen. Obwohl sie erst seit wenigen Jahre existieren, konnten beide bereits deutschlandweit auf sich aufmerksam machen. QXXQ wurde bei den Kurzfilmen der Berlinale 2017 in der Kategorie „Beste Kamera“ nominiert. Und ein Azubi-Recruiting-Werbespot von Bewegter Blick ist 2015 mit dem „Human Resources Excellence Award“ ausgezeichnet worden.

Vimeo

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.
Mehr erfahren

Video laden

Happy Locals erhalten viel Unterstützung

Der Begriff „Happy Locals“ beschreibt junge Menschen, die sich in ihrer Heimat engagieren und kreativ einbringen können. Und die ihrer Region dadurch auch etwas zurückgeben. Marco hat die Entscheidung, nach mehreren Jahren Studium und Stationen und Passau und Halle wieder in seine Heimat zurückzukehren, sehr bewusst getroffen. „Ich hätte die Möglichkeit gehabt, zu großen Videoagenturen nach Hamburg oder Berlin zu gehen“, erzählt er, „aber ich hatte von Anfang an den Traum, ein Unternehmen hier zu gründen, wo ich herkomme“.

Dass es Kreative nur in die Großstädte ziehen würde, sei ein Mythos, ergänzt der 31-Jährige: „Ich kenne genug Leute aus der Branche, die anderswo arbeiten, aber auch sofort wieder heimziehen würden.“ Wenn es denn dort genügend Arbeitsplätze gäbe. Diese zu schaffen, hat sich Marco zur Aufgabe gemacht.

Das provisorische Büro im ersten Stock des Pfarrhauses teilt sich der junge Firmenchef mit seinen Kollegen Philipp und Maxi. Die beiden hat er von Anfang an in seine unternehmerischen Entscheidungen eingebunden: „Es ist schon mehr Verantwortung, wenn du Mitarbeiter hast. Aber der Einsatz lohnt sich und mittlerweile bekommen wir viele Initiativbewerbungen, weil die Leute uns einfach spannend finden“, sagt Marco. Ob es auch Nachteile hat, mitten auf dem Land zu arbeiten? Der 31-Jährige überlegt. „Naja“, sagt er und schmunzelt, „vielleicht haben wir nicht so eine große Auswahl, wenn wir mal Mittagessen gehen wollen“.

Perfekte Infrastruktur für Gründer*innen

Auch Franziska und Matthias vermissen in Waldmünchen nichts. Im Gegenteil: „Wir bekommen hier demnächst einen Gigabit-Internetanschluss rein und der Bürgermeister hat uns persönlich an die Hand genommen, um mit uns nach geeigneten Büroräumen zu suchen. Wo bekommst du sonst so einen Service? Die Unterstützung hier ist einfach super“, sagt der gelernte Informatiker Matthias. Darum hätten sie auch nur ganz kurz darüber nachgedacht, ihre Firma in Regensburg oder München zu gründen. Aber: Die jungen Unternehmer würden sich ein besseres Image für ihre Region wünschen. Denn vom Lebensgefühl, von der Natur direkt vor ihrer Haustür und von den Möglichkeiten, die die Netzwerke vor Ort bieten, sind sie überzeugt. Und davon, dass es ihrer Heimat guttäte, wenn mehr Startups und Kreative sich in der Oberpfalz ansiedeln würden.

Starthilfe dafür geben zum Beispiel die Digitale Gründerinitiative Oberpfalz oder die Gründerzentren vor Ort. Und natürlich hilft es, wenn es schon erfolgreiche Jungunternehmer*innen vor Ort gibt. So wie Bewegter Blick und QXXQ. In Waldmünchen hat das schon gewirkt: „Gleich die Straße runter eröffnen demnächst Freunde von uns ein Unternehmen“, erzählt Franziska freudestrahlend. „Die haben sich das bei uns angeschaut und dann gesagt: ,Wenn die das schaffen, schaffen wir es auch.’“

Christoph Aschenbrenner
Christoph Aschenbrenner
+ posts

Vierfacher Papa, Bassist einer FolkPunk-Band, Niederbayer und Geschäftsführer beim Oberpfalz Marketing – geht nicht? Geht doch! Das ist Christoph, der von 2008 bis 2021 hier den Laden geschmissen hat. Auch wenn er inzwischen andere Wege geht, bleibt die Oberpfalz immer sein "happy place".