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Foto: Erik Mosoni

„Wackersdorf“-Produzent: „Blöd darf man dem Oberpfälzer nicht kommen!“

Auch die Oberpfalz kann Kino und wird immer wieder zum Drehort – wie für den Film „Wackersdorf“. Er beleuchtet den Kampf gegen die geplante atomare Wiederaufarbeitungsanlage im Landkreis Schwandorf. Für viele Menschen war die Verfilmung ein wichtiger Schritt der Aufarbeitung, sagt der Produzent Ingo Fließ, selbst gebürtiger Oberpfälzer.

Ingo FließFilmemacher Ingo Fließ heute: Der Produzent des Politdramas "Wackersdorf" ist gebürtiger Oberpfälzer. Auch sein Weltbild wurde in den 1980ern am Bauzaun geprägt. Foto: Erik Mosoni

„Wir wollen nicht DEN Wackersdorf-Film machen, sondern einen Wackersdorf-Film“, sagte der Filmproduzent Ingo Fließ beim Casting im Sommer 2017. Mittlerweile ist das Polit-Drama abgedreht, lief auf etlichen Kinoleinwänden und Filmfesten. Etwa 130.000 Kinobesucher sahen den Film, der die Hintergründe beleuchtet, die zu dem legendären Protest gegen den Bau der WAA in der Gemeinde Wackersdorf führten. Am 22. Februar erscheint „Wackersdorf“ jetzt auch auf DVD und Blue Ray.

Was aber nur wenige wissen: Der Produzent Ingo Fließ ist selbst Oberpfälzer, geboren in Sulzbach-Rosenberg im Landkreis Amberg-Sulzbach. Damals hat er die Proteste hautnah miterlebt, heute die Reaktionen des Kinopublikums und er sagt: Der Film funktioniert – nicht nur in der Oberpfalz, weil die Thematik aktuell ist wie nie …

Oberpfalz Marketing: Du bist in Sulzbach-Rosenberg geboren und aufgewachsen, von dort aus braucht man mit dem Auto keine 40 Minuten nach Wackersdorf. Warst Du selbst im WAA-Widerstand aktiv? 

Ingo Fließ: Ich war kein mutiger Kämpfer in vorderer Linie, eher ein ganz normaler Demonstrant. Der Widerstand gegen die WAA und die Regierung Strauß hat unser Weltbild verändert – wir wurden skeptisch und wütend angesichts solcher Ungerechtigkeit.

wackersdortf_film_produzent_ingo-fliessIngo Fließ stammt selbst aus der Oberpfalz und protestierte zusammen mit seinem Vater Armin am Bauzaun in Wackersdorf. Foto: Ingo Fließ

Ohne den unbeugsamen Widerstand der Bürger stände jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit eine atomare Wiederaufbereitungsanlage mitten im heutigen Naherholungsgebiet. Ist der Oberpfälzer an sich ein Rebell? 

Naja, blöd kommen darf man ihm nicht, für blöd halten schon gar nicht. Und stur ist er halt auch. Ich bin froh, hier aufgewachsen zu sein, mit diesen aufrichtigen, bodenständigen und unaufgeregten Menschen.

Beim Dreh habt ihr bewusst Menschen aus der Region gecastet. Wie war das, mit Leuten zu arbeiten, die die ganze Situation damals miterlebt haben? 

Die Begegnungen mit den Menschen vor Ort waren sehr bewegend und erschütternd – wir haben gemerkt, wie wenig die Wunden verheilt sind, auch weil die Geschichte eben noch nicht erzählt worden ist. Es fühlte sich manchmal nicht mehr nach Fiktion an, weil wir es plötzlich mit echten Schicksalen zu tun hatten.

Wie realitätsnah empfanden die Wackersdorfer den Film?

Zum Glück zeigten sich die meisten vor allem dankbar und gerührt. Natürlich gab es aber auch viele Hinweise auf Versäumnisse und Auslassungen des Drehbuchs. Aber alle haben verstanden, um was es dem Film im Kern geht. Und ich hatte das Gefühl, die meisten waren damit einverstanden. Auch die nächste Generation, also die Kinder derer, die damals am Bauzaun standen, wurden sich plötzlich überhaupt erst bewusst, was damals geschehen ist und dass es möglich ist, sich zu wehren. Sie haben einen ganz neuen Stolz auf ihre Eltern entwickelt. Vor allem war uns aber auch die Einschätzung von Hans Schuierer, Claus Bößenecker und Wolfgang Nowak wichtig. Und die fanden den Film gut. 

Um die Figur des ehemaligen Landrats Hans Schuierer dreht sich der Film, die reale Person Hans Schuierer war eng am Entwicklungsprozess des Scripts beteiligt. War er zufrieden mit der Darstellung seiner Person durch Johannes Zeiler?

Er fühlte sich gut getroffen und sagte mir, dass er das vorher nicht für möglich gehalten hätte.

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So eine stark regional geprägte Story kommt ja vor Ort meist am besten an. „Wackersdorf“ aber läuft deutschlandweit, erst vor kurzem wurde er auf der 69. Berlinale gezeigt. Was sagen die Berliner zu Deinem Film?

Nicht nur in Berlin, auch in Tallinn oder anderswo in der Welt wird der Film verstanden und mit großer Sympathie wahrgenommen. Eine WAA und staatliche Willkür gibt es in vielen Ländern der Welt. Der Transfer beim Publikum gelingt gut. 

Die Thematik ist also nach wie vor aktuell?

Die Menschen haben damals am Bauzaun demonstriert, Bürgerinitiativen gegründet und auch mit juristischen Mitteln gekämpft, weil sie die willkürliche und ungerechte Entscheidung ihrer Regierung nicht hinnehmen wollten. Ein Volksbegehren „Artenvielfalt“ speist sich unter anderem auch aus diesem zivilgesellschaftlichen Widerstandsgeist. Den brauchen wir dringender denn je!

Wackersdorf - der Film

Oberpfalz, 1980er Jahre: Die Arbeitslosenzahlen steigen und der Landrat Hans Schuierer (Johannes Zeiler) steht unter Druck, Perspektiven zu schaffen. Da erscheinen ihm die Pläne der Staatsregierung wie ein Geschenk: In der Gemeinde Wackersdorf soll eine atomare Wiederaufbereitungsanlage (WAA) gebaut werden. Doch nach und nach steigen Zweifel in ihm auf. Er beginnt nachzuforschen und legt sich mit der Strauß-Regierung an …

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Als Kind der 80er konsumierte das damalige Army Brat so ziemlich alles, was die Kinoleinwände zwischen der good ol’ Oberpfalz und Fort Knox so hergaben. LADY OSCAR, und DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER stellten die Weichen für ihr Berufsleben: Nach einem Volo frönte sie den Film- & Literaturwissenschaften in Berlin und arbeitete für verschiedene Medien.