Goodbye London: Nina und Velja betreiben Weidens Lieblings-Foodtruck
„Der Oberpfälzer ist auf jeden Fall bereit für Kimchi“, sagt Nina Schaumberger und lacht, während sie eine große Portion des fermentierten Chinakohls neben ein Stück Schweinebauch in einen Pappteller löffelt. Die schlanke Frau beugt sich über den Verkaufstresen ihres Foodtrucks und reicht einem Herren mit Filzhut und Lodenmantel das Gericht. Hinter ihm wartet auch schon die nächste Kundin auf ihr Falafel, der Mann dahinter bestellt veganes Chilli. Es ist Mittwochmittag auf dem Bauern- und Wochenmarkt in Weiden. Hochbetrieb bei „Nina & Velja’s Kitchen“.
Seit knapp einem Jahr rollt der schwarz-silberne Lastwagen nun schon durch die Region. Auf heißen Kochplatten und zischendem Grill bereiten Nina und ihr Partner Velja Krstic Mahlzeiten zu, wie man sie sonst nur aus Großstädten kennt: buntes Streetfood. Dabei handelt es sich um Speisen aus aller Welt: von veganem Curry bis Schweinebauch auf Zwiebelkompott – alles auf die Hand, alles zum Mitnehmen.
Liebe made in London
„Anfangs waren die Oberpfälzer etwas skeptisch, aber wenn sie dir erst einmal vertrauen, dann hast du sie auf deiner Seite“, sagt Velja auf Englisch. Obwohl der gebürtige Serbe mittlerweile gut Deutsch spricht, wenn es stressig wird, wechselt er gerne ins Englische. Kennengelernt haben sich die heute 35-jährige Nina und der 42-jährige Velja in London, beide lebten und arbeiteten damals in der Millionenstadt.
Nina war nach dem Abitur als Au-Pair in die britische Metropole gezogen, fand anschließend eine Anstellung bei einer Consulting-Firma und besuchte Kurse an einem College. Velja wollte Schlagzeug studieren, entdeckte aber sein Faible für die Gastronomie und arbeitete als Koch in Restaurants und angesehenen Londoner Gastropubs. Dort lernten sich die beiden dann auch kennen. „Ich war mit Freunden verabredet – und dann steht da plötzlich dieser Bartender vor mir und grinst mich unverschämt an“, erinnert sich Nina. „Yes, das war ich“, wirft Velja ein. Er zwinkert ihr zu, während er eine Quesedila, ein mexikanisches Mais-Fladenbrot gefüllt mit Käse, für den nächsten hungrigen Kunden aufschneidet.
Die beiden verbindet vor allem eines: die Leidenschaft fürs Essen. „Essen und Kochen sind integrale Bestandteile unseres Lebens“, erklärt Nina, die ganzheitliche Ernährungsberatung in London studiert hat. Sie kassiert die letzten Kunden an diesem Novembernachmittag ab. Die Klappe des Trucks schließt sich und die beiden fahren zurück zu ihrem Haus nahe der Weidener Innenstadt. Den Altbau mit Garten hat die kleine Familie selbst renoviert, das Herzstück ist die große Küche: „Das ist der wichtigste Raum für uns, deshalb haben wir auch extrem viel Geld investiert.“
„Für uns war klar, dass unser Kind auf dem Land in der Nähe der Großeltern aufwachsen soll.“Nina Schaumberger
Mittlerweile ist auch Sohn Luka von seiner Oma nach Hause gebracht worden. Wenn kein Markttag ist, holt Nina den Dreijährigen selbst vom Kindergarten ab – zu Fuß. „Die kurzen Wege hier sind echt praktisch“, sagt sie, „verstopfte U-Bahnen wie in London braucht kein Mensch“. Luka sitzt auf dem Küchenboden und beobachtet Papa Velja, der gerade für das Abendessen einen Fisch entgrätet. Er war der Grund, warum die beiden London nach elf Jahren den Rücken gekehrt haben – und gemeinsam in Ninas alte Heimat, die Oberpfalz, zurückgegangen sind. „Für uns war klar, dass unser Kind auf dem Land in der Nähe der Großeltern aufwachsen soll“, erklärt Lucas Mutter ihre Entscheidung.
Genau der richtige Ort für die Familie
Das Bildungssystem sowie das Gesundheitswesen in Bayern seien besser, ganz zu schweigen von den Mieten. Als Nina im siebten Monat schwanger ist, ziehen die beiden zurück. Erst nach Oberteich in ein Ferienhaus ihrer Eltern, dann kaufen sie sich ein Haus in Weiden in der Oberpfalz. Velja findet schnell eine Anstellung als Koch. Der Plan, dass Nina nach dem Mutterschutz weiter im Home Office für ihre Londoner Firma arbeitet, geht jedoch nicht auf. Das Unternehmen wird aufgekauft und etliche Mitarbeiter entlassen. Am Ende ist das aber ein Glücksfall für die junge Mutter: Nina bekommt eine Abfindung, mit der sich die Familie den Traum vom eigenen Foodtruck erfüllt. Das Konzept: London Streetfood oder auch „London Foodlove“. Aber natürlich hatten die beiden auch Bedenken …
„Ich hatte Angst, dass wir hier nicht mehr reinpassen, dass wir keine Gleichgesinnte treffen würden“, erzählt Nina. Aber schon bald stellt die junge Mutter fest, dass die Oberpfalz, die ihr als 20-Jährige so klein und eng vorkam, nun genau der richtige Ort für sie und ihre Familie ist. Außerdem hat sich in der Heimat in den vergangenen Jahren kulturell, kulinarisch wie wirtschaftlich ziemlich viel getan, findet sie: „Die Oberpfälzer sind total locker und neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen.“
Rezept: Velja’s Gravlax mit Gin
Gravlax oder auch graved Lachs bedeutet „eingegrabener Lachs“. Vor Hunderten von Jahren haben die Skandinavier diese Zubereitungsmethode entwickelt, um Lachs einige Wochen haltbar zu machen. Darum geht es bei Velja und Nina nicht, sondern um den ganz besonderen Geschmack, den der Fisch bei dieser Zubereitung entwickelt. Velja verwendet dafür Gin.
Zutaten:
- 500 Gramm Lachsfilet mit Haut
- 50 Gramm brauner Zucker
- 100 Gramm Meersalz
- 100 Gramm rohe Rote Bete
- 50 ml hochwertigen Gin
- 2 EL geriebener, frischer Meerrettich
- Schale von 1/2 Zitrone
- 1/2 Bund Dill & etwas extra für die Deko
- Roggenbrot
- Meerrettichcreme
So geht’s:
Rote Bete schälen und grob reiben. Meerrettich schälen und fein reiben. Dill grob hacken. Alle Zutaten (außer dem Lachs) vermengen. Den Boden einer Auflaufform mit einer dünnen Schicht dieser Mischung einstreichen. Den Lachs mit der Haut nach unten darauf legen. Die restliche Mischung darüber verteilen. Darauf achten, dass der Lachs gleichmäßig bedeckt ist. Mit Frischhaltefolie abdecken und mit einem Gewicht beschweren (z.B. eine zweite etwas kleinere Auflaufform mit flachem Boden darauf stellen und beschweren). In den Kühlschrank geben. Nach 24 Stunden herausnehmen, die Mischung vom Lachs entfernen, den Lachs vorsichtig mit kaltem Wasser waschen und mit Küchenrolle trocken tupfen. Lachs in hauchdünne Scheiben schneiden und mit Roggenbrot, Meerettichcreme sowie Dill servieren.
Gastropub öffnet in Weiden
Für Velja ist das Leben in der Oberpfalz komplett neu, kannte er die Heimat seiner Partnerin bisher nur von kurzen Besuchen. „Aber ich finde es für unsere Familie super hier“, sagt der leidenschaftliche Koch, während er den filetierten Fisch würzt. „Der ist übrigens aus dem Restaurant Weiherblasch bei Schönsee – also aus der Region, wie fast alle unserer Zutaten.“
Das Öl zischt, als er die Forelle in die schwere Gusseisenpfanne legt, dann gibt er eine geheime Gewürzmischung, basierend auf Kreuzkümmel und Sternanis, in die Sauce. „In der Oberpfalz gibt es sehr gutes Essen, aber nur wenige Läden, die experimentelle, moderne Küche anbieten“, so der gebürtige Serbe. Das wird sich aber bald ändern, zumindest in Weiden. Denn nur wenige Hundert Meter von der Altstadt entfernt eröffnen Velja und Nina Ende Januar ihr eigenes Gastropub, ein modernes Wirtshaus nach Londoner Vorbild: „So erschaffen wir unser eigenes kleines London mitten in der Oberpfalz.“
Zum Glück (zurück)
Nina Schaumberger und Velja Krstic sind Teil des Projekts „Zum Glück (zurück)“. In dieser 18-teiligen Serie stellen wir Oberpfälzer vor, die ganz bewusst nach einem Blick über den Tellerrand und einer Zeit außerhalb der Region zurückgekehrt sind. Es sind Menschen, die zurück in ihre alte Heimat ziehen und diese mit ihren Erfahrungen und Know-how vorantreiben – die Oberpfalz bunter, fortschrittlicher und moderner machen.
Gefördert durch Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie
Als Kind der 80er konsumierte das damalige Army Brat so ziemlich alles, was die Kinoleinwände zwischen der good ol’ Oberpfalz und Fort Knox so hergaben. LADY OSCAR, und DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER stellten die Weichen für ihr Berufsleben: Nach einem Volo frönte sie den Film- & Literaturwissenschaften in Berlin und arbeitete für verschiedene Medien.