Oberpfalz meets Iron Curtain Trail
Foto: Bewegter Blick

Oberpfalz meets Iron Curtain Trail

7.650 Kilometer ist der Iron Curtain Trail lang – und das immer entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs. Damit ist er wohl einer der spannendsten Radfernwege überhaupt. Da er auch durch die Oberpfalz führt, haben wir ihn auf dem Bike erkundet. Was wir dabei erlebt haben? Das verraten wir Euch hier … 

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Der Iron Curtain Trail (ICT oder offiziell Eurovelo 13) ist einer der großen Radfernwege Europas und mit seiner Lage am ehemaligen Eisernen Vorhang wahrscheinlich der, der die Geschichte des 20. Jahrhunderts am eindrucksvollsten widerspiegelt. Eine Geschichte, die auch die Oberpfalz geprägt hat. Trotzdem ist er immer noch ein Geheimtipp. Nichts liegt also näher, als in der Radregion Oberpfalz den Trail und die Geschichte der Region mit dem Bike zu erfahren. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Darum machen sich unser Kollege Christoph und seine Freundin Katharina auf, den Oberpfälzer Teil des ICT zu entdecken. Und zwar im Jahr 2019, wenn der Fall des Eisernen Vorhangs zum 30. Mal gefeiert wird. Mit Rädern made in Oberpfalz. Meistens entlang des offiziellen ICT-Verlaufs, aber immer auch mit offenem Blick auf das, was ein wenig abseits des Trails liegt. Immerhin gilt es, die Schönheit der Oberpfalz zu entdecken. Und das, was die Region im Herzen Europas ausmacht.

Hier kommt Christophs B(ike)log.

Unsere Bikes

Die GHOST Bikes GmbH stellt uns zeitlich begrenzt zwei kostenlose Räder (Fire Road Rage und Endless Road Rage) plus Bikepacking-Taschen zur Verfügung, um damit unsere Tour und unsere Arbeit zu unterstützen. Dafür bedanken wir uns herzlich.

Für den Iron-Curtain-Trail können wir uns keinen besseren Partner als den Bike-Hersteller GHOST vorstellen. Warum? Weil das Unternehmen aus Waldsassen genau das verkörpert, was wir in der Oberpfalz sehen: Innovation, Heimatliebe und Passion. Und ganz ehrlich, wir wollten schon immer mal die GHOST-Graveler fahren …

Test the Road Rage – von der ersten Idee bis zum ersten Sturz

Ursprünglich war unser Trip als private Radtour geplant. Als aber feststand, dass die Route durch die Oberpfalz gehen soll, war mir schnell klar: „Da berichten wir drüber.“ Bei den genaueren Planungen mit dem bikeline-Radtourenbuch „Europa-Radweg Eiserner Vorhang — Von Hof nach Szeged“ stellt sich aber raus, dass es gar nicht so viele Infos über den Weg gibt. Auch nicht, welche Art von Strecken uns erwarten würden. Es musste also ein möglichst vielseitiges und tourentaugliches Fahrrad her.

Da ich seit einiger Zeit Gravelbike fahre und beruflich auch schon mit GHOST zu tun hatte, liegt es nahe, dort wegen Leihrädern anzufragen. Und die positive Antwort kommt prompt. Zwei Fire Road Rages sollen es werden, leichte Carbon-Räder für lange Touren, aber trotzdem geländegängig und robust. Kurzfristig muss ich aber auf ein Endless Road Rage umschwenken, mit 27,5-Zoll-Straßenbereifung statt 29-Zoll MTB-Rädern. 

Am Vorabend des Tourstarts in Waldsassen angekommen, geht es gleich auf zur ersten Testfahrt. Die berühmte Kappl ist das Ziel, auf einer schönen 5-Kilometer-Strecke bergauf durch den Wald gut zu erreichen. Oben genießen wir den Sonnenuntergang, doch bald geht es zurück. Bergab kreuzen dann einige Mountainbiker unseren Weg, und biegen irgendwann auf Single-Trails ab. Hinterher? Gesagt, getan. Für mich erweist sich das aber als keine gute Idee. Ich rutsche mit den Straßenreifen und dem unbekannten Rad einige Male über feuchte Wurzeln, und irgendwann ist es so weit: unfreiwilliger Abstieg über den Lenker. Macht nix, denke ich mir, es ist nichts gebrochen und die Fahrt kann weitergehen. Der Rest des Trails fahre ich dann etwas langsamer und am Schluss geht es ohne Probleme ins Ortszentrum. 

Beim dortigen Bike-Check fällt mir erstmal nichts auf – aber das sollte sich am nächsten Tag ändern … 

Das Video zur ersten Testfahrt (inklusive Abstieg über den Lenker) findest Du hier.  

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Etappe 1 von Waldsassen bis Bärnau

Der erste Tag und es wird schnell klar: Das Rad mag nicht so wie ich will. Das SRAM-Rival-11-Schaltwerk schnurrt in den hohen Gängen, doch bergauf hüpft die Kette über die halbe Kassette. Darum geht es um 10:30 Uhr erstmal zum nächsten Fahrradhändler, der Bike Station Waldsassen. Die Leute dort sind sehr hilfsbereit. Der Fehler ist auch gleich gefunden: Das Schaltauge ist verbogen und bricht beim Versuch, es wieder zurechtzubiegen, ganz durch. Mist. Schon der erste Tag verläuft nicht wie geplant. Doch die Nähe zum Fahrrad-Werk macht’s möglich: Die Bike-Station-Jungs opfern ihre Mittagspause und um 13:30 Uhr habe ich ein funktionierendes Bike und neue Laufräder mit MTB-Profil obendrein. Ihr seid einfach nur der Wahnsinn!

Auch die Wartezeit hat sich gelohnt: Die weltberühmte Stiftsbibliothek Waldsassen ist wirklich beeindruckend. Die geschnitzten Figuren von Karl Stilp bringen jeden ins Staunen und wir bekommen eine Privatführung mit Interview obendrein. Nur wo das älteste Buch der Bibliothek steht – das erfahren wir leider nicht.

Um 14 Uhr geht’s dann endlich auf die Strecke! Wir freuen uns auf die geplanten 41 Kilometer. Doch schon bald hinter der deutsch-tschechischen Grenze wird klar – die Beschilderung des Iron Curtain Trails ist eher kreativ als zuverlässig. Wir verfahren uns erstmal so richtig und am Ende sollten wir nach knapp fünfeinhalb Stunden statt der geplanten 41 Kilometer satte 56 auf dem Tacho haben. Zugegeben, ein paar davon sind wir freiwillig gefahren. Die Trails abseits der offiziellen Strecke, die man hier auch gut mit einem Straßenrad fahren kann, sind einfach zu verlockend.

Doch am Abend merken wir, dass wir uns verkalkuliert haben. Der späte Start, die zusätzlichen Kilometer und das Filmen und Fotografieren, das wir ja auch noch selber übernehmen, kosten Zeit, und so kommen wir viel zu spät zum Grenzlandturm Bärnau. Der Turm ist dafür ein Traum: Erbaut 1913 vom gebürtigen Bärnauer Professor Franz-Xaver Mayer, bietet er ursprüngliche Romantik pur. Mitten im Wald, kein Strom, kein Mobilfunkempfang, dafür zwei wunderbare Zimmer und eine wahnsinnig schöne Übernachtung nach der ersten, überraschend anstrengenden Etappe unserer Fahrt.

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Etappe 2 von Bärnau bis Waidhaus

Wir beginnen den Tag mit einem Frühstück im Geschichtspark Bärnau-Tachov. Chef Alfred Wolf erzählt uns ausführlich über das Engagement und den Idealismus hinter dem grenzübergreifenden Projekt. Jugendliche aus der ganzen Welt helfen, den Park weiterzubauen und wir sind schon gespannt, wann die geplante Burg aus dem 14. Jahrhundert mit Stadtmauer fertig sein wird. Auch von der Idee eines Kreativ-Hauses mit Coworking-Spaces und einer eigenen Brauerei erzählt uns Wolf. Ob wir unser Büro von Regensburg nach Bärnau verlegen sollen?

Das Radeln ist einfach ein Traum. Doch dann biegen wir vom Weg ab Richtung Flossenbürg. Der Besuch der dortigen KZ-Gedenkstätte passt zwar nicht in unsere heiter-gelöste Urlaubsstimmung, aber das Thema ist einfach zu wichtig. Was wir dann dort lesen und sehen, verschlägt uns die Sprache. Selbstverständlich bleibt unsere Kamera in der Tasche. Diesen Ort kann man nicht filmen. Nach einer längeren Pause im inklusiven Museumscafé geht es zurück auf die Strecke. Auf einer langen Straßenabfahrt können wir die Bikes so richtig laufen lassen. Für was haben wir schließlich Rennlenker? Angekommen in einer schnuckeligen Pension in Waidhaus lassen wir erstmal unsere müden Beine in den Pool hängen.

Im Video erklärt uns Alfred Wolf, wie er eine 2,5 Meter breite Stadtmauer bauen will. Mit einem Kran aus dem 14. Jahrhundert.

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Etappe 3 von Waidhaus bis Waldmünchen

Mit einem Zoigl radelt es sich einfach besser. Darum beginnen wir den Tag im Kommunbrauhaus Eslarn. Dort treffen wir Georg Zierer. Sein Vater ist wohl einer der ältesten aktiven Brauer überhaupt. Seit 1951 ist er der Herr des Eslarner Zoigls. Aber auch Georg hat viel zu erzählen. Auf jeden Fall sind wir jetzt Spezialisten für das Oberpfälzer Kult-Bier.

Dass wir dann für die knapp 50 Kilometer und 660 Höhenmeter deutlich über sechs Stunden brauchen – geschenkt. Die Strecke ist wunderschön und viele Orte laden zu einer Pause ein. Bei perfektem Radlwetter lassen wir uns Zeit, biegen das ein oder andere Mal in den Wald ab und schauen uns die geschleiften Dörfer auf der tschechischen Seite der Grenze an. Ein perfekter Bike-Tag.

Im Video nimmt uns Georg Zierer mit ins Kommunbrauhaus Eslarn. Und verrät uns ein pikantes Detail über den Zoigl.

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Etappe 4 von Waldmünchen bis Lam

Der heutige Tag verspricht, hart zu werden. Wir haben eineinhalb Etappen durch den Bayerischen Wald geplant und werden am Schluss 62 Kilometer und über 1050 Höhenmeter auf dem Tacho haben. Trotzdem – oder eher deshalb – ist es definitiv die schönste Strecke auf unserer Tour.

Zu verdanken haben wir das in erster Linie Uwe. Der Outdoor- und Bike-Enthusiast arbeitet bei der Touristinfo Furth im Wald und ist für die ICT-Strecke im Landkreis Cham zuständig. Mit Liebe gemacht – das merkt man. Nirgends auf unserer Tour ist die Beschilderung besser. Nach einem sehr netten Plausch mit ihm am Drachensee verrät er uns, dass er den Iron Curtain Trail nächstes Jahr bis ganz nach Norden fahren will – bis nach Kirkenes und weiter ans Nordkap. Wir wünschen ihm viel Spaß und werden ihm auf jedem Fall eins unserer Tour-Shirts mit auf den Weg geben. Wir besuchen noch kurz die Drachenhöhle und machen uns auf ins schöne Lam. Dank der wundervollen Aussicht und der schönen Wege fühlt sich die Strecke nicht annähernd so anstrengend an wie am Morgen noch befürchtet. Auch wenn ich bergauf nicht annähernd mit Katharina mithalten kann. Ist morgen wirklich schon das Ende unserer Tour?

Im Video sprechen wir mit Uwe. Und siehst, wer sich in der Drachenhöhle am meisten erschreckt hat.

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Etappe 5 von Lam bis zum Kleinen Arbersee (und weiter bis nach Lindberg in Niederbayern)

Die letzte Etappe. Wie schnell doch fünf Tage vergehen können. Eigentlich möchten wir gar nicht losfahren. Um nicht anzukommen. Weil es einfach viel zu schön ist. Und auch, weil wir wissen, dass es wieder steil wird. Was wir noch nicht wissen – am Mittag wird das Wetter umschlagen. Los geht es aber erstmal mit Hitze und Muskelschmerzen – die Steigungen sind rasant. Doch erstmal raus aus dem Tal und im kühlen Bayerwald kommt die Lust aufs Biken dann ganz von selbst.

Heute steht die erste Etappe ganz ohne Grenzübertritt an. Es ist schon erstaunlich: Was für uns selbstverständlich ist, war vor 35 Jahren noch völlig undenkbar – sich frei und nach Lust und Laune über die deutsch-tschechische Grenze zu bewegen. Es ist gut, dass die Schranken zwischen den Ländern und in den Köpfen gefallen sind. Und das sollten wir nicht leichtfertig aufgeben.

Immer wieder halten wir an, um den Blick über den Bayerischen Wald zu genießen. Doch gegen Mittag schlägt das Wetter um. Im Bayerwald-Tierpark Lohberg sprechen wir gerade mit Chefin Claudia Schuh, als ein unfassbar lauter Donner die Tiere und auch uns erschreckt. Gleich danach gießt es wie aus Kübeln und wir verbringen erst einmal einige Stunden lieber im Trockenen als nass auf dem Bike. Aber es klart noch rechtzeitig auf – wir können unsere Fahrt Richtung Arber fortsetzen.

Am Kleinen Arbersee stellt sich dann ein ungeheures Glücksgefühl ein. 240 Kilometer in fünf Tagen, fast 3.900 Höhenmeter und viele gigantische Augenblicke liegen zwischen uns und dem Start unserer Tour. Es war einfach nur der Wahnsinn – und wir würden es jederzeit wieder machen. Vielleicht geht es ja nächstes Jahr weiter Richtung Schwarzes Meer. Auf jeden Fall ist klar: Wir haben uns in den ICT und auch unserer Bikes verliebt und werden die fünf Tage immer in Erinnerung behalten.

Im Video erlebst Du mit Katharina und Christoph den Abschluss ihrer Tour.

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Der Iron Curtain Trail

EuroVelo 13, Iron Curtain Trail oder kurz ICT — dieser Radweg ist etwas besonderes. Und das aus gutem Grund. Erstens die Hard Facts: Über 7.600 Kilometer und zehntausende Höhenmeter — alles entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs. Von der Barentssee bis ins Schwarze Meer. Von norwegischer Kälte in die kroatischer Hitze. 20 Länder und 14 Welterbestätten. Und mittendrin die Oberpfalz. Zweitens die historische Dimension: Mehr Geschichte an einem Radweg geht kaum. So ist auch die Oberpfalz von der Grenze des Eisernen Vorhangs ins Zentrum Europas gerückt.

Und so haben wir schon bei den Planungen viel über unsere Region gelernt. Planungen, bei denen wir uns am bikeline-Radtourenbuch „Europa-Radweg Eiserner Vorhang — Von Hof nach Szeged“ orientiert haben. Meistens fahren wir die Wege und Etappen, wie sie das Buch beschreibt. Allerdings nicht immer. Schließlich geht es uns ja auch um unsere schöne Oberpfalz. Und die wollen wir entdecken, auch wenn nicht alles, was uns interessiert, in diesem Buch steht.

Christoph Aschenbrenner
Christoph Aschenbrenner
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Vierfacher Papa, Bassist einer FolkPunk-Band, Niederbayer und Geschäftsführer beim Oberpfalz Marketing – geht nicht? Geht doch! Das ist Christoph, der von 2008 bis 2021 hier den Laden geschmissen hat. Auch wenn er inzwischen andere Wege geht, bleibt die Oberpfalz immer sein "happy place".